Gendersensible Gestaltung der Umweltbildung in Rheinland-Pfalz
Universität Freiburg, Institut für Forstbenutzung und Forstl. Arbeitswissenschaft; Az.: Freiburg 04-6/09
Zielsetzung:
Staatliche Forstverwaltungen haben heute die Chance und Aufgabe, Umweltbildung und Bildung für nachhaltige Entwicklung zu vermitteln. Ein Element der Bildung für nachhaltige Entwicklung ist die Geschlechtergerechtigkeit. Der Schwerpunkt des Projekts lag in der Frage, ob in den Bildungsangeboten forstlicher Umweltbildungszentren die Bedürfnisse und Interessen von Frauen und Männern gleichermaßen berücksichtigt werden.
Methoden:
Untersucht wurden die Umweltbildungseinrichtungen Walderlebniszentrum Soonwald, Haus der Nachhaltigkeit Johanniskreuz und Waldjugendheim Kolbenstein. Die Untersuchung baute auf drei methodischen Pfeilern auf:
- Analyse der Veranstaltungsprogramme der Einrichtungen hinsichtlich geschlechtersensibler Angebote, Sprache und Gestaltung
- Befragung von Besucherinnen und Besuchern der Einrichtungen zu Bildungsangeboten und Interessen
- Leitfadengestützte Interviews mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Einrichtungen zur Bedeutung der Querschnittsaufgabe Geschlechtergerechtigkeit bei Planung, Durchführung und Evaluation der Angebote und zum Umsetzungsstand.
Darüber hinaus wurde für das Walderlebniszentrum Soonwald die gendersensible Gestaltung der Infrastruktur untersucht.
Ergebnisse:
Die Bild- und Sprachwahl in den Veranstaltungsprogrammen ist fast durchgängig gendersensibel. Geschlechterspezifische Angebote (zum Beispiel einen „Papa-Kind-Tag“) gab es nur wenige. In den Interviews wurde dies mit der geringen Nachfrage begründet.
In der Befragung der Gäste war festzustellen, dass alle Befragten die Angebote für Zielgruppe „Frauen“ und „Männer“ ähnlich attraktiv fanden. Es war zu sehen, dass die männlichen Besucher einen größeren Unterschied zwischen den Bedürfnissen von Frauen und Männern in der Umweltbildung wahrnahmen als die Besucherinnen. Die weiblichen Befragten konnten in der der Gästebefragung sehr viel besser einschätzen, welche Themen in der Umweltbildung für Männer spannend waren, als die Männer die Interessen der Frauen einschätzen konnten.
In allen Einrichtungen besteht laut Aussage der befragten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der grundsätzliche Wunsch, Angebote für beide Geschlechter zu machen. Gendersensible Umweltbildung hat für die Befragten allgemein gesehen durchaus seine Berechtigung. Dennoch gibt es in der Umsetzung und Anwendung im eigenen Arbeitstalltag zwei deutlich unterschiedliche Grundhaltungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter: Einige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sahen Gendersensibilität in ihrer Einrichtung als Selbstverständlichkeit, Notwendigkeit und als Chance und zeigten eine sehr offene, positive Haltung dem Thema gegenüber. Andere waren reservierter: Diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter begründeten ihre Einstellung mit fehlendem Handlungsbedarf, da sie aus der Praxis mit keinen „Problemen“ konfrontiert waren. Kritisiert wurde hier zudem die Beschäftigung mit dem Thema Gendersensibilität auf „Verordnung von oben“. Durchgängig waren die Befragten der Meinung, dass das klassischen Rollenverhalten bei den Kindern und Jugendlichen schon aufgeweicht sei.
Insgesamt ist festzustellen, dass das Thema Gendersensibilität in Sprache und Bildauswahl und teilweise über besondere Angebote schon Eingang in die Einrichtungen gefunden hat. Als allgemeine Notwendigkeit ist es bekannt. Bei der konkreten Umsetzung von Geschlechtergerechtigkeit in der Umweltbildung besteht allerdings noch Handlungsbedarf.
Wenn Landesforsten mit geschlechterspezifischen Angeboten (zum Beispiel Angeboten, die sich nur an Frauen bzw. Männer richten) eine Vorreiterrolle einnehmen möchte, erscheint es notwendig, gendersensible Umweltbildung als definiertes Ziel in alle Einrichtungen zu übernehmen. Ein derartiger Prozess kann jedoch nur funktionieren, wenn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Anfang an stark einbezogen werden. Falsch wäre es, wenn diese das Ziel der Geschlechtergerechtigkeit als „von oben verordnet“ und „aufgesetzt“ erfahren würden. Hilfreich erscheint vielmehr ein von unten her getragener Prozess („Bottom-up“-Verfahren), in dem die Chancen und der Gewinn durch eine gendersensible Umweltbildung erlebt und mit gestaltet werden. Dazu können Workshops für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und der Aufbau eines „Best-practice“-Katalogs mit gelungenen Umsetzungsbeispielen beitragen. Zur geschlechterspezifischen Durchführung von Veranstaltungen wäre es zudem notwendig, hier verstärkt weibliches Personal einzubinden.
Publikation der Ergebnisse:
STEINERT, SANDRA 2010: Gendersensible Gestaltung der Umweltbildung in Rheinland-Pfalz. Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau, Institut für Forstbenutzung und Forstliche Arbeitswissenschaft. Projektbericht Juli 2010. 115 S.
Evaluierung der Gendersensibilität forstlicher Öffentlichkeitsarbeit der Landesforsten Rheinland-Pfalz unter besonderer Berücksichtigung von Printmedien und Internetauftritt.
Universität Freiburg, Institut für Forstbenutzung und Forstl. Arbeitswissenschaft, Az.: Freiburg 04-6/09
Zielsetzung:
Das Land Rheinland-Pfalz hat sich im Jahr 2000 selbst verpflichtet, in den Ministerien und nachgeordneten Behörden Gender Mainstreaming umzusetzen. Das Ziel dieser Untersuchung besteht darin, einen Überblick über den status quo der Umsetzung von Gender Mainstreaming in der forstlichen Öffentlichkeitsarbeit von Landesforsten Rheinland-Pfalz zu geben und auf Verbesserungsmöglichkeiten und gelungene Umsetzungen im Sinne einer „best practice“ hinzuweisen.
Methoden:
Im Rahmen der Studie wurden 34 Dokumente aus der Öffentlichkeitsarbeit von Landesforsten Rheinland-Pfalz auf Gendersensibilität hin untersucht. Die ausgesuchten Dokumente sollen dabei typische Beispiele für die „schriftliche“ und an ein breiteres Publikum gewandte forstliche Öffentlichkeitsarbeit repräsentieren.
Ergebnisse:
Während die Gendersensibilität der ausgewählten Dokumente zumindest in einigen Dimensionen für den forstlichen Kontext recht hoch ist, zeigt sich beim Vergleich mit dem aus Genderperspektive möglichen doch ein deutlicher Handlungsbedarf.
Über alle betrachteten Dokumente hinweg positiv bewertet werden die Dimensionen „Geschlechtergerechte Sprache“ und „Vermeidung eines `male bias´“.
Negative Abweichungen in der Dimension „Sprache“ gibt es insbesondere hinsichtlich des Themenfeldes „Holz und Jagd“. Insgesamt ist der untersuchte Dokumentenkorpus jedoch durch eine große Heterogenität gekennzeichnet. Zudem erreichen viele Dokumente nicht das Optimum einer konsequenten und konsistenten geschlechterinklusiven Sprache.
Die Dimension der ausgewogenen Sichtbarmachung von Frauen und Männern durch Text und Bebilderung wird insgesamt betrachtet deutlich schlechter bewertet. Positive Abweichungen gibt es hier für den Bereich „Umweltbildung“ und für die dem Themenfeld „Organisation“ zugeordneten Dokumente.
Eine negative Bewertung wird in der Dimension der „Öffnung bzw. Verfestigung von Geschlechterstereotypen“ erreicht. Auch dort wo Frauen sichtbar gemacht werden, trägt die Darstellung in Text und Bild vielfach zu einer Fortschreibung oder gar zu einer Vertiefung der existierenden ungleichberechtigten Stereotypen bei.
Kaum auch nur ansatzweise angesprochen ist die Dimension der über das Geschlecht hinausgehenden gesellschaftlichen Diversität. Hier scheint es deutlichen Modernisierungsbedarf zu geben.
Aus den angesprochenen Bewertungen lassen sich in der konkreten Diskussion folgende Handlungsempfehlungen ableiten:
- Konsequente Umsetzung einer geschlechterinklusiven Sprache d.h. explizite und symmetrische Nennung von Frauen und Männern („Försterinnen und Förster“), bei Bedarf kombiniert mit neutralen Formen („Gäste“) oder Kurzformen („TeilnehmerInnen“).
- Verwendung explizit männlicher oder explizit weiblicher Formen nur dort, wo es sich tatsächlich um Männer bzw. um Frauen handelt.
- Vermeidung sprachlich neutraler Formen, da sonst leicht die Gefahr besteht, dass nicht den Geschlechterbildern entsprechende Handlungsrollen ansonsten ignoriert werden.
- Im Sinne von Gender Mainstreaming: Integration der Empfehlungen für eine gendersensible Sprache in allgemeinen Leitlinien und Schulungen zur Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit von Landesforsten.
- Konsequente und konsistente Verwendung geschlechtergerechter Formen auch in der internen Kommunikation und in zentral publizierten Dokumenten, um so Anschauungsmaterial für Vorbildlernen zu liefern und geschlechtergerechte Sprache ins alltägliche Selbstverständnis zu etablieren.
- Auf geschlechtergerechte Sprache insbesondere im männlich konnotierten Kernbereich (Holzproduktion, Jagd, Waldbau) achten!
- Evtl. Aufbau eines „Wörterbuchs“ im Intranet, um gelungene sprachliche Lösungen allen Beschäftigten zu Verfügung zu stellen.
- Aufbau einer organisationsweiten Bilddatenbank mit Bildern, die Frauen und Männer ausgewogen sichtbar machen und Geschlechterrollen nicht verfestigen.
- Aufbereitung der bislang nur lückenhaften Bemühungen im Hinblick auf gesellschaftliche Diversität – dies betrifft die Barrierefreiheit von Angeboten und Internetseiten ebenso wie die Frage nach speziellen, zielgruppenorientierten Publikationen.
Die genannten Punkte entfalten ihre Wirkung allerdings erst dann, wenn die Orientierung an Geschlechtergerechtigkeit (und an einer Wertschätzung gesellschaftlicher Diversität) sich auch in der Organisationsstruktur, in der Organisationskultur und in den gelebten alltäglichen Arbeitspraktiken von Landesforsten wiederfinden lassen. Als „aufgesetzte“ und allein stehende Maßnahme funktioniert gendersensible Öffentlichkeitsarbeit nicht.
Publikation der Ergebnisse:
WESTERMAYER, TILL 2010:
Evaluierung der Gendersensibilität forstlicher Öffentlichkeitsarbeit der Landesforsten Rheinland-Pfalz unter besonderer Berücksichtigung von Printmedien und Internetauftritt. Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau. Projektbericht Juli 2010. 141 S.
Pilotprojekt Gender und Mobilisierung von Holzreserven im Kleinprivatwald – Eine Befragung von Waldbesitzerinnen
Universität Freiburg, Institut für Forstbenutzung und Forstl. Arbeitswissenschaft, Az.: Freiburg 04-6/09
Zielsetzung:
Seit einigen Jahren hat sich die Forstsozialwissenschaft verstärkt der Kleinprivatwaldforschung zugewendet. Hier wird ein großes Holzmobilisierungspotential gesehen. Mehr als ein Viertel des Kleinprivatwaldes in Rheinland-Pfalz befindet sich in weiblicher Hand (Tab. 1).
Trotzdem richten sich Betreuungsangebote und Informationen für Waldbesitzende vorwiegend an Männer. Ziel dieser explorativen Untersuchung ist der Blick auf Frauen als Klein- und Kleinstprivatwaldbesitzerinnen. Leitend ist dabei die Frage danach, von wem und wie Entscheidungen über die Ressourcennutzung in den Privatwäldern der Besitzerinnen getroffen werden.
Methoden:
Die Untersuchung basiert ausgehend von einer Literaturrecherche auf den Ergebnissen qualitativer Befragungen von 17 Klein- und Kleinstprivatwaldbesitzerinnen in der Eifel.
Ergebnisse:
In den Ergebnissen wird deutlich, dass Waldbesitzerinnen eine in Deutschland bisher wenig beachtete forstliche Zielgruppe darstellen. Die Frage danach, ob die Waldbesitzerinnen selbst die Entscheidungsträgerinnen sind, was ihren Wald anbelangt, lässt sich anhand der Merkmale Entscheidungsfindung, Kümmerer, Impulsgeber, Kontrollgänge, Gesprächspartner und Auftritt im Akteursnetz klären. Klare Aussagen sind jedoch erst möglich, wenn zwischen traditionell orientierten und emanzipiert orientierten Waldbesitzerinnen unterschieden wird.
Traditionell orientierte Besitzerinnen überlassen dem bewirtschaftenden Mann die Entscheidungen sehr weitreichend, ohne jedoch das Heft ganz aus der Hand zu geben. Die bäuerlichen Unternehmerinnen in dieser Gruppe sind an Entscheidungsfindungsprozessen etwas stärker beteiligt – im Rahmen der Geschäftsführung des bäuerlichen Unternehmens. Einstellungen und Verhaltensweisen orientieren sich an der klassischen Rollenverteilung, in der der (bewirtschaftende) Mann für die „Männerdomäne Wald“ zuständig ist.
Dagegen treffen die emanzipiert orientierten Waldbesitzerinnen waldbezogene Entscheidungen persönlich. Sie sind in ihren Entscheidungen selbständiger und unabhängiger – sie haben die Sache Wald „in der Hand“. Einstellungen und Verhaltensweisen in dieser Gruppe sind nicht am klassischen Rollenbild orientiert, sondern unabhängig davon gestaltet.
Bemerkenswert ist, dass die Waldbesitzerinnen in beiden Gruppen – von einer Ausnahme abgesehen – angeben, dass sie Kontrollgänge über ihre Waldflächen selbst und mehr oder weniger regelmäßig mehrmals im Jahr ausführen, oder, bei weit entfernt wohnenden Waldbesitzerinnen, zumindest Kontrollgänge durch zuverlässige Personen vor Ort organisiert haben, um sich telefonisch „ins Bild setzen“ können zu lassen. Insofern haben – bis auf eine Auswärtige – alle befragten Frauen in mehr oder weniger ausgeprägter Weise den Überblick über den aktuellen Zustand ihres Waldes.
Kennzeichnend ist auch die positive Grundeinstellung der Frauen gegenüber dem eigenen Waldbesitz. Während sich die Motivbündel der traditionell orientierten Waldbesitzerinnen (Abb. 1) recht einheitlich zeigen, sind die Motivbündel der emanzipiert orientierten Waldbesitzerinnen (Abb. 2) individuell und divers ausgeprägt, jedoch mit stärkerem Gewicht auf die immateriellen Motive.
Folgende (exemplarische) Handlungsempfehlungen werden vorgeschlagen, um die forstliche Beratung und Betreuung im („weiblichen“) Kleinprivatwald zu verbessern.
- Außendarstellung forstlicher Akteursgruppen gendersensibel gestalten, dass sich auch Frauen angesprochen fühlen.
- Die Berücksichtigung der Heterogenität der Waldbesitzerinnenklientel erfordert eine Vielfältigkeit der Beratungs- und Betreuungsangebote innerhalb von Förderprogrammen für den Privatwald.
- Wissensstand um gesetzlich verankerten Anspruch auf Beratung und Betreuung unter Waldbesitzerinnen erhöhen; Charakter der „Holschuld“ herausstellen.
Publikation der Ergebnisse:
SCHLECHT, EVA-MARIA; WESTERMAYER, TILL 2010: Pilotprojekt Gender und Mobilisierung von Holzreserven im Kleinprivatwald – Eine Befragung von Waldbesitzerinnen. Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau, Institut für Forstbenutzung und Forstliche Arbeitswissenschaften. Arbeitswissenschaftlicher Forschungsbericht Nr. 11, April 2010. 197 S.