Quantifizierung eines Gefährdungspotentials in der hochmechanisierten Holzernte
Institut für Forstliche Arbeitswissenschaft und Verfahrenstechnologie, Universität Göttingen; Az.: Göttingen 6/06
Zielsetzung:
Beim Fällen starker Bäume mit einem Radharvester können Gefährdungen für Mensch und Maschine auftreten. Wenn der Maschinenführer die Neigung eines starken Baumes falsch einschätzt und beispielsweise nicht erkennt, dass der vom Stock getrennte Baum in Richtung seiner Maschine fallen muss, hat er nach Auslösen der Schnittfunktion am Aggregat kaum eine Chance, zumindest erhebliche Maschinenschäden zu vermeiden. In diesem Projekt ist untersucht worden, welche Drehmomente ein Harvester mit seinem Arm bzw. mit seinem Ausleger theoretisch aufbringen kann, um einen Baum umzudrücken und inwieweit diese Drehmomente auch praktisch umzusetzen sind.
Methoden:
An einem Harvester des Typs Ponsse Ergo wurden Zugkraftmessungen an dessen Aggregat H73e und dem Ausleger HN200 durchgeführt. Diese Ergebnisse sind mit den Werten verglichen worden, die sich anhand der technischen Daten der Hydraulik für diese Maschine bzw. Komponenten errechnen lassen. Um eine quantifizierte Aussage über eine mögliche Gefährdung treffen zu können, wurden Kippmomente für Bäume mit unterschiedlichen BHD rechnerisch hergeleitet. Hierbei ist zum einen auf Kippmomente, die durch Neigung und zum anderen auf Kippmomente, die durch Windeinfluss entstehen, eingegangen worden.
Ergebnisse:
Bei der Starkholzernte sowie bei starkem Wind sind Kippmomente von weit mehr als 50 kNm zu beherrschen. Das Harvesteraggregat der untersuchten Maschine kann mit den beiden hydraulischen Tiltzylindern lediglich 3,22 kNm erzeugen. Damit können zwar Bäume von über 20 cm BHD gefällt, aber kaum gerichtet zu Fall gebracht werden.
Der Teleskopzylinder des Auslegers kann dagegen ein Drehmoment von bis zu 35,65 kNm erzeugen. Bei einem fast vollständig ausgefahrenem Ausleger steht allerdings nur ein unzureichendes Drehmoment zur Verfügung. Auf eine Entfernung von 7,30 m steht ein Drehmoment von fast 55 kNm und auf 5,00 m sogar ein solches von 103 kNm zur Verfügung. Drehmomente dieser Größenordnungen lassen eine ausreichende Manipulierbarkeit der Bäume erwarten. Allerdings muss der Maschinenführer die Gefahr vorher erkennen. Bei Beständen mit dichter Verjüngung und/oder Unterstand kann dies schwierig sein, noch mehr bei der Nachtarbeit, wo die Kronen der zu fällenden Bäume kaum erkennbar sind.
Zusätzlich zu Vor- und Rückhängern kann die Ernte starker Bäume bei höheren Windgeschwindigkeiten leicht zu gefährlichen Situationen führen, da die auftretenden Kippmomente nur sehr schwer eingeschätzt werden können, weshalb die Aufarbeitung einzustellen ist.
Es konnte gezeigt werden, dass die maximal möglichen Drehmomente für Hydraulikzylinder rechnerisch relativ genau ermittelt werden können, sofern wie im vorliegenden Fall ausreichend präzise Herstellerangaben über Kolbenstärke und maximal anliegenden Druck vorliegen. Die Differenz zwischen errechneten und gemessenen Werten ist vernachlässigbar. Es wurde eine Formel entwickelt, mittels der auch für Harvester anderer Fabrikate die maximal erzielbaren Drehmomente relativ genau vorherzusagen sind.
Der Bericht vermag nur einen ersten Einblick in die Problematik der Gefährdung bei der Starkholzernte mit dem Vollernter geben. Herstellerseitig sind Maßnahmen zu fordern, durch welche die Starkholzernte mit dem Harvesters gefahrloser betrieben werden kann. Der Forstbetrieb sollte starke Vorhänger besonders kennzeichnen, um den Maschinenführer rechtzeitig zu warnen.