Totholzinventur und GIS-gestütztes Totholzmanagement in Wirtschaftswäldern am Beispiel des Waldgebietes „Harterscheid“ bei Sinzig, Rheinland-Pfalz

Institut für Forstpolitik und Naturschutz, Universität Göttingen; Az.: Göttingen 01/05

Zielsetzung:

Die Förderung von Totholz in Wirtschaftswäldern ist sowohl aus Sicht des Naturschutzes als auch aus forstlicher Sicht erstrebenswert. Das Belassen von Alt- und Totholzbäumen ist seit vielen Jahren erklärtes Ziel und gängige Praxis der Landesforsten Rheinland-Pfalz. Ziel der Untersuchung ist es, zur Unterstützung einer planvollen Integration der Totholzmengen in die Waldbewirtschaftung ein Inventurverfahren zu entwickeln, das Totholzmengen auf großer Fläche zügig und günstig zu erfassen erlaubt und Grundlage für ein GIS-gestütztes Totholzmanagement sein kann. Daneben sollte ein GIS-gestütztes Managementkonzept erarbeitet werden.

Methoden:

Auf der Basis von Literaturauswertung wird die Relevanz von Totholz für den Artenschutz erläutert. Darauf aufbauend werden Forderungen und Kriterien der Naturschützer bezüglich Baumart, Qualität, Menge und Zersetzungsgrad des Totholzes abgeleitet. Die Inventurmethode wird in einem Untersuchungsgebiet im Wuchsbezirk „Unteres Mittelrheingebiet“ mit Buchen- und Eichen-Hainbuchenwäldern entwickelt und mit 3 Personen erprobt. Weitere methodische Komponente ist die Erstellung einer GIS-gestützten Datenbank und Darstellung der Daten anhand digitalen Kartenmaterials. Schließlich werden die für eine  stetige Totholznachlieferung erforderlichen Maßnahmen und Holzmengen literaturgestützt hergeleitet und auf Probleme der Unfallgefährdung und der Verkehrssicherungspflicht hingewiesen.

Ergebnisse:

1. Artenschutzaspekt:
Pilze als ökologische Gruppe betrachtet, sind im besonderen Maße auf Totholz angewiesen und können auf dicken Stämmen mit weit mehr Arten nebeneinander vertreten sein als an Baumstümpfen. Viele epigäische und epiphytische Moose und Flechten sind auf Totholz angewiesen, das in vielerlei Beziehung eine ökologische Zwischenstellung zwischen Rinde und humusreicher Erde einnimmt. Eiche ist wegen ihrer langen Standzeit als toter Baum besonders bedeutend. Bei den Käfern sind es insbesondere xylobionte Arten, die mit 1343 Arten 25% des gesamten Artenspektrums der Käfer ausmachen. Für Vögel ist stehendes Totholz in stärkeren Dimensionen oberhalb 20 cm von Bedeutung. Die Hälfte der 22 Fledermausarten verwendet ebenfalls stehendes Totholz oder Bäume mit Höhlen als Winter- und Sommerquartier.


2. Naturschutzfachliche Forderungen:
Insgesamt liegen bis heute kaum Erkenntnisse vor, welche Menge, Verteilung und Qualität von Totholz für den Erhalt überlebensfähiger Population gefährdeter Arten erforderlich sein könnten. Generell wird jedoch empfohlen, liegendes Totholz aus zusammengebrochenen, stehendem Totholz entstehen zu lassen. Nichtheimische wie nur vereinzelt vertretene Baumarten besitzen eine artenärmere Insektenfauna. Deshalb sind nicht alle Baumarten als Totholz von gleicher Bedeutung. Ein mittelfristiger Anstieg des toten, brüchigen und absterbenden Holzes auf 5-10 fm/ha wäre ein relevanter Schritt.

3. Inventurmethode:
In den Beständen wird eine Linientaxation durchgeführt, bei der im einsehbaren Bereich das Totholz mit einer Schätzhilfe erfasst wird, die nach Längen- und Durchmesserkategorien und nach stehendem und liegendem Totholz differenziert. Vor Beginn einer Taxation muss der Kartierer die Breite seines Sichtkorridors einschätzen, aus sich multipliziert mit der Länge der Taxationslinie die Flächengröße der Stichprobe errechnet. Die Ergebnisse der Totholzschätzung werden dann proportional zur Gesamtflächengröße des Bestandes hochgerechnet. Stehendes Totholz wurde in der Regel geringfügig überschätzt, während bei liegendem Totholz Über- und Unterschätzung sich die Waage halten. Eine Verminderung der Abweichungen kann durch intensive Schulung der Kartierer, Abstandskontrolle der Transektlinien durch Entfernungsmessung und durch Kontrolle der Stichprobe durch einen weiteren Kartierer in 10% der Fälle erreicht werden. Der Zeitbedarf beträgt rund 5 Minuten/ha in Beständen, die das Mindestalter von 100 Jahren erreicht haben.


4. GIS-Darstellung der Ergebnisse:
unter Verwendung der Daten der Forsteinrichtung werden die Ergebnisse der Erhebung, differenziert nach Totholzklassen, dargestellt.


5. Totholzmanagement:
Der Vorschlag hat illustrierenden Charakter, da wissenschaftlich fundierte, auf Eignung und Effizienz überprüfte Strategieentwürfe bisher fehlen.
Elemente einer solchen Strategie könnten sein:

  • defizitäre Sortimente nicht aufarbeiten, starke Baumdimensionen von geringem Wert dem natürlichen Zufall überlassen
  • Höhlenbäume des Schwarzspechtes wegen der Folgebrüter möglichst nicht ernten
  • Stammwalzen und Kronen abgestorbener Bäume liegen lassen
  • Ersatzbäume für umgestürztes Totholz rechtzeitig ausweisen
  • Hohe Stöcke im unteren Bereich bei faulen Bäumen stehen lassen
  • Wurzelteller aufgerichtet lassen
  • Entwicklung durch wiederholte Inventuren verfolgen