Flora und Vegetation in den Auen-Naturwaldreservaten Gimpelrhein, Hollländerschlag und Oberer Karlskopf (Rheinland-Pfalz)
Universität Göttingen, Abt. Waldbau und Waldökologie der gemäßigten Zonen; Az.: Göttingen 03/10
Zielsetzung:
In den drei Auwald-Naturwaldreservaten, Oberer Karlskopf (häufig überschwemmte Weichholzaue), Gimbelrhein (zeitweilig noch überflutete Hartholzaue) und Holländerschlag (nicht mehr vom Hochwasser erreichte Hartholzauenwald) wird folgenden Fragen nachgegangen:
- Wie stark unterscheiden sie sich durch das unterschiedliche Überflutungsregime bezüglich Vielfalt und Zusammensetzung der Krautschicht?
- Wie sieht die Konkurrenzsituation der Baumarten in der Baumschicht und in der Verjüngung aus und hat sich dabei ein Zauneffekt eingestellt?
- Wie hoch ist der Anteil an Neophyten und gibt es Hinweise auf eine Ausdehnung?
Methoden:
In den Kernflächen der drei Naturwaldreservate wurden auf 11 bis 27 je 100 m2 großen Probeflächen Vegetationsaufnahmen durchgeführt. Getrennt nach Baum-, Strauch- und Krautschicht wurden die Deckungsgrade der Vegetation und einzelner Arten innerhalb dieser Schichten erfasst. Da die Moosschicht in Auwäldern kaum eine Rolle spielt, wurde sie nur in ihrer Gesamtdeckung aufgenommen. Zusätzlich zu den Vegetationsaufnahmen der Kernflächen wurden alle in den Reservaten gefundenen Gefäßpflanzen aufgelistet.
Die Charakterisierung der Reservate erfolgte mittels einer indirekten Ordination (Korrespondenzanalyse) zur Abschätzung von Umweltfaktoren. Für eine qualitative Bewertung der Krautschichtzusammensetzung erfolgte eine Einteilung der Arten gemäß ihrer Zeigerwertstufen, eine Einteilung in Wuchsgruppen, eine Einteilung anhand ihrer Bindung an den Wald sowie eine Herausarbeitung neophytischer Arten.
Ergebnisse:
Die floristische Auswertung der Kernflächen ergab eine deutliche Unterscheidung bezüglich floristischer Ähnlichkeit, wobei zwischen der Weichholzaue und der nicht mehr überfluteten Hartholzaue der größte Unterschied bestand.
Die nicht mehr überflutete Fläche, NWR Holländerschlag, ist durch eine höhere Zahl an Arten in der Baum- und Strauchschicht sowie einem höheren Deckungsgrad der Baumschicht gegenüber den beiden anderen Naturwaldreservaten gekennzeichnet. Auch die mittleren Deckungsgrade einiger Arten der Krautschicht unterstreichen die Bindung an einzelne Naturwaldreservate: während im NWR Holländerschlag Spitzahorn, Winterschachtelhalm und Efeu einen Schwerpunkt haben, ist im NWR Oberen Karlskopf die Brennnessel dominant.
Das NWR Gimpelrhein zeichnet sich durch die höchste mittlere Artenzahl, die höchste Diversität und die höchste Gleichverteilung der Arten in der Krautschicht aus. Das verstärkte Vorkommen vom Kleinen Springkraut führt dazu, dass dieses Naturwaldreservat den höchsten Anteil an Neophyten in der Krautschichtdeckung hat. NWR Oberer Karlskopf dagegen hat den höchsten Anteil dieser Artengruppe an der im Vergleich dazu nur halb so hohen Gesamtartenzahl der Krautschicht.
Die Gesamtartenzahl der Vegetationsaufnahmeflächen beträgt beim Holländerschlag 43, beim Gimpelrhein 45 und beim Oberen Karlskopf nur 28 Arten.
Die drei Naturwaldreservate zeigen deutliche Unterschiede in der Artenzusammensetzung, die in erster Linie auf das unterschiedliche Überflutungsregime zurückgeführt werden können. Insbesondere regelmäßige Überflutungen führen auch zur Ablagerung nährstoffreicher Sedimente, die die Ausbreitung von Nitrophyten wie z.B. Brennnessel begünstigen. Außerdem werden solche Arten auch durch die höhere Lichtverfügbarkeit der generell lichteren Weichholzaue unterstützt.
In den geschlossenen Beständen der Hartholzaue dominieren dagegen Arten der Baumschicht und des geschlossenen Waldes, was auf seltenere bzw. fehlende Überflutung hinweist.
Neben der Artenzusammensetzung hat die Überflutungshäufigkeit auch einen Einfluss auf den Artenreichtum, wobei eine mittlere Überflutungshäufigkeit wie im NWR Gimpelrhein die höchste Diversität zur Folge hat, in Übereinstimmung mit der Hypothese der mittleren Störungen (nach Grime und Connell).
Im NWR Oberer Karlskopf ist die Baumschicht am deckungsärmsten ausgeprägt und auch artenarm. Ebenso verhält es sich auch mit der Strauch- und der Krautschicht. Generell begrenzen Überflutungen die Anzahl an Gehölzarten, da sie in der Lage sein müssen, sich unter diesen Umweltbedingungen stets zu regenerieren. Arten, die nicht typisch für die Aue bzw. als überflutungsintolerant gelten, wie z.B. Berg- und Spitzahorn können kaum in die überfluteten Wälder einwandern. Zu beobachten ist eine gute Ausbreitungs- und Verjüngungsfähigkeit von Bergahorn und Esche in nicht mehr überfluteten Bereichen. Die Stieleiche als Charakterart der Rheinaue fehlt in den Verjüngungsaufnahmen und wird allgemein als rückläufig beobachtet.
Neophyten finden sich vorrangig in Gemeinschaften, die durch hohen Störungsgrad und eine hohe Nährstoffverfügbarkeit gekennzeichnet sind. Dies belegen auch die Aufnahmen im NWR Oberer Karlskopf mit den höchsten und im NWR Holländerschlag mit den geringsten Anteilen neophytischer Arten. Insbesondere das als invasiv geltende Indische Springkraut profitiert von den Überflutungen und den lichten Bedingungen. Inwieweit Indisches Springkraut heimische Baumarten verdrängt, kann weder aufgrund der Aufnahmen noch aufgrund von Literatur eindeutig geklärt werden. Weitere Neophyten wie das Kleine Springkraut oder auch Goldrute-Arten sind entweder unproblematisch oder werden durch häufige Überflutungen eher in ihrer Ausbreitung behindert.