Bedarfserhebung im Rahmen des audit berufundfamilie Landesforsten Rheinland-Pfalz

Universität Freiburg, Institut für Forstbenutzung und Arbeitswissenschaft; Az.: Freiburg 01/08

Zielsetzung:

Die Aufgabe der Erhebung im Rahmen des audit berufundfamilie® bestand darin, für wichtige, im Auditierungsprozess vereinbarte Handlungsfelder sowohl zu erfassen, in wie weit heute (bzw. zum Zeitpunkt der Befragung Anfang 2008) Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie schon genutzt werden, und welcher zukünftige Bedarf dafür angegeben wird. Als zentrale Herausforderung lässt sich hier benennen, wie eine weitgehend dezentral aufgebaute Verwaltung mit einer alternden Belegschaft – und stark geschlechtsspezifischer Arbeitsteilung – in die Lage versetzt werden kann, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu verbessern. 

Methoden:

Anonyme schriftliche Vollbefragung aller Beschäftigten in Landesforsten Rheinland-Pfalz anhand eines Fragebogens, der von dem Institut  in enger Zusammenarbeit mit Landesforsten erarbeitet wurde. Die Auswertung erfolgte nach anonymer Einsendung durch und bei dem Institut.

Ergebnisse:

Knapp 40 Prozent der Beschäftigten haben sich im Frühjahr 2008 an der Befragung beteiligt. Bezüglich der Teilzeitquote und des Frauenanteils erweist sich das Antwortkollektiv als repräsentativ für die Grundgesamtheit. Überproportional vertreten sind v.a. Beamt/innen, was eine nach Beschäftigtengruppen differenzierte Ergebnisdarstellung notwendig macht.

Den ersten thematischen Schwerpunkt bilden die erhobenen Daten zur Beschäftigtenstruktur, d.h. zur Zusammensetzung der Belegschaft nach Alter, Geschlecht, Beschäftigtengruppen und Tätigkeitsbereichen, zur familiären Situation der Beschäftigten sowie zu den Arbeitszeitmustern. Der Altersschwerpunkt der Befragten liegt, je nach Beschäftigtengruppe, zwischen 43 Jahren (Forstwirt/innen) und 52 Jahren (höherer Dienst). Das Medianalter für das Gesamtkollektiv ist mit 47 Jahren recht hoch. Mehr als vier Fünftel der Befragten leben in Partnerschaften.
 In jedem zweiten Haushalt leben Kinder (im Alter bis 18 Jahre). Etwa sieben Prozent der Befragten haben Kinder, die jünger als drei Jahre sind. Rund drei Prozent der Männer mit Kindern und rund 15 Prozent der Frauen mit Kindern erziehen diese, ohne in einer Partnerschaft zu leben. Gut ein Fünftel der Befragten gibt an, pflegebedürftige Angehörige zu haben. Teilzeitarbeit (hier definiert als Wochenarbeitszeit von bis zu 35 Stunden) ist bei den Landesforsten ein fast ausschließlich weibliches Phänomen. Insgesamt 14 Prozent aller Befragten arbeiten in Teilzeit, dies sind etwa zwei Prozent der Männer und etwa 57 Prozent der Frauen. Beschäftigte mit Führungs- bzw. Leitungsaufgaben arbeiten nahezu ausnahmslos Vollzeit, während unter den Verwaltungsangestellten – vor allem Frauen – Teilzeit überwiegt. 

Das zweite Themenfeld lässt sich unter die Überschrift Reformfolgen stellen: dies umfasst  sowohl die Wahrnehmung der forstlichen Verwaltungs- und Strukturreformen durch die Beschäftigten als auch deren Abbild in den erhobenen Daten zur Arbeitszufriedenheit. Zentral ist die stärkere Orientierung an betriebswirtschaftlichen Effizienzüberlegungen. Aus arbeitswissenschaftlicher Sicht gibt es Hinweise darauf, dass mit der Umsetzung der aktuellen forstlichen Reformen in einigen Beschäftigtengruppen – insbesondere im gehobenen Dienst – Grenzen einer zumutbaren Arbeitsverdichtung erreicht sind. Die Vermutung liegt nahe, dass bei einer weiteren Personalverknappung mit motivationalen Problemen in größerem Umfang zu rechnen ist. Dies würde den erhofften Effizienzgewinnen und Leistungssteigerungen zuwider laufen und sollte daher bei weiteren Reformschritten ebenso bedacht werden wie die Frage, ob Beschäftigte das Gefühl haben, vom Reformtempo überrollt zu werden oder mit diesen Schritten mitgehen zu können. 

Das dritte und zentrale Themenfeld stellen die Ergebnisse und Handlungsoptionen zur Bedarfserhebung dar, die sich direkt auf das audit berufundfamilie® und die Möglichkeiten zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie beziehen. Die verschiedenen Nennungen in der Bedarfserhebung lassen sich insgesamt vor allem zu zwei „Wünschen“ zusammenfassen. Erstens geht es darum, mehr Flexibilität herzustellen. Zweitens weist einiges darauf hin, dass ein Wandel der Betriebskultur hin zu mehr gelebter Familienfreundlichkeit gewünscht wird. Das würde bedeuten, nicht nur die Arbeitsorganisation, sondern auch die Organisationskultur zu verändern, d.h. Offenheit, Verständnis und Rücksichtnahme auf die Belange und besonderen Probleme von Beschäftigten, die familiäre und berufliche Anforderungen miteinander in Einklang bringen müssen, als Werte innerhalb der Gesamtorganisation und in den einzelnen Dienststellen zu betonen und in die Arbeitspraxis umzusetzen.

Der vierte Teil behandelt die Personal- und Organisationsentwicklung in einem umfassenden Sinne, d.h. persönliche Entwicklungs- und Aufstiegswünsche der Beschäftigten einerseits und die Einschätzung der tatsächlich vorhandenen Aufstiegs- und Entwicklungsmöglichkeiten andererseits. Ein zentrales Ergebnis für das Themenfeld der Personal- und Organisationsentwicklung liegt in der großen Diskrepanz zwischen persönlichen Entwicklungswünschen und tatsächlichen Entwicklungs- bzw. Aufstiegschancen. Eine Mehrheit der Befragten (54 %) äußert unterschiedlich stark ausgeprägte Wünsche, sich in der Erwerbsarbeit persönlich weiterzuentwickeln. Ein weiteres Drittel ist ohne Weiterentwicklungswunsch zufrieden mit der jeweiligen Tätigkeit. 14 Prozent der Befragten haben sich dagegen mit ihrer Situation abgefunden, ohne damit zufrieden zu sein In einer Ausweitung der Freiheitsgrade und Entscheidungsmöglichkeiten in der Arbeit, insbesondere auch jenseits der Beamtenlaufbahnen, werden die größten Veränderungspotenziale gesehen. Eine Ausweitung arbeitsbezogener Autonomie wäre allerdings auf jeden Fall mit organisatorischen Veränderungen verbunden – und kann nur dann als persönlichkeitsförderlich bezeichnet werden, wenn nicht nur Verantwortung delegiert wird, sondern auch zeitliche Spielräume und Lernmöglichkeiten zur Verfügung stehen.

Das fünfte Themenfeld bilden abschließend die Ergebnisse und Handlungsoptionen, die sich aus der Gender-Analyse ergeben, sowohl hinsichtlich der Strukturierung der Geschlechterverhältnisse bei den Landesforsten wie auch bezüglich der Akzeptanz von gleichstellungspolitischen Maßnahmen. Bezogen auf die Strukturebene zeigt sich bei den Landesforsten eine starke geschlechtsbezogene Arbeitsteilung. Dies betrifft Beschäftigtengruppen und Tätigkeitsschwerpunkte, also die eher horizontal gelagerten Unterschiede in der Repräsentation von Frauen und Männer, aber auch die vertikale Achse. So sind überhaupt nur wenige Frauen bei den Landesforsten Beamtinnen – im mittleren und gehobenen Dienst sind es in der Befragung fünf Prozent, im höheren Dienst zehn Prozent. Der Anteil der Beamten, die angeben, dass Leitung bzw. Führung zentral für ihre Tätigkeit ist, liegt wiederum höher als der entsprechende Anteil der Beamtinnen. In der Struktur der Landesforsten wird hier also eine geschlechtsbezogene Ungleichverteilung sichtbar. Es wird von einer Wechselwirkung zwischen einerseits geschlechtsspezifischen Zeitverfügungsmöglichkeiten und der Arbeitsteilung in Partnerschaften und andererseits der Erwartungshaltung ausgegangen, die Frauen und Männern innerhalb der Landesforsten entgegengebracht wird. So geben vier Fünftel der Männer, aber nur ein Drittel der Frauen an, mehr als die Hälfte des Haushaltseinkommens zu erwirtschaften.

Beim Fragenkomplex nach der Akzeptanz gleichstellungspolitischer Maßnahmen zeigten sich 55 Prozent der Befragten generell eher an der Notwendigkeit von Gleichberechtigung orientiert, 45 Prozent indifferent bis ablehnend. So stimmten zwei Drittel der Frauen der Aussage zu, dass Frauenförderung Aufgabe jeder öffentlichen Einrichtung sein soll, während nur gut ein Drittel der Männer dies so sieht. Letztlich kann davon ausgegangen werden, dass Frauenförderung organisationskulturell weitgehend akzeptiert wird. Ein egalitäres Geschlechterbild – Männer und Frauen sind prinzipiell gleich gut für unterschiedliche Tätigkeiten geeignet – unterstützt etwa ein Viertel der Befragten, während knapp die Hälfte der Aussage zustimmt, dass es viele Berufe gibt, für die sich entweder Frauen oder Männer besonders gut eignen (Geschlechterbild der Differenz). 
Weiter wurde ganz konkret nach der Bereitschaft gefragt, an Gender-Trainings teilzunehmen. Etwas mehr als die Hälfte der Befragten – genau die Hälfte der Männer, fast zwei Drittel der Frauen – zeigten sich bereit, an Gender-Trainings teilzunehmen. Die Bereitschaft fällt dabei bei denjenigen, die an Gleichberechtigung stark interessiert sind, deutlich größer aus. Damit stellt sich die Frage, wie diejenigen Beschäftigten erreicht werden, die Gleichberechtigung indifferent oder ablehnend gegenüber stehen. 
Bei der Frage nach besonders wirkungsvollen gleichstellungspolitischen Maßnahmen ergibt sich das Bild, dass eher Maßnahmen, bei denen individuelle Personen im Vordergrund stehen, und eher Maßnahmen, die einen Rahmen für informelle Möglichkeiten der Gleichstellung eröffnen, als wirkungsvoll angesehen werden, als Maßnahmen, die an Programmen oder an „harten“ formalen Vorgaben orientiert sind. Als besonders effektiv werden flexiblere Arbeitszeiten (55 % geben an, dass diese Maßnahme wirkungsvoll ist), weibliche Führungskräfte und Personalentwicklung (jeweils 34 %) sowie Frauen- bzw. Gleichstellungsbeauftragte (25 %) genannt. Am wenigsten effektiv erscheinen im Bild der Befragten Fortbildungen für Männer, die Vernetzung von Frauen (jeweils 9 %) und Frauenförderpläne (8 %).