Struktur, Verjüngung und Vegetation der Naturwaldreservate Langbruch und Palmbruch (Rheinland-Pfalz)

Universität Göttingen, Abt. Waldbau und Waldökologie der gemäßigten Zonen; Az.: Göttingen 02/12

Birkenbruchwälder bzw. Moorbirkenwälder, wie sie in den Naturwaldreservaten Langbruch und Palmbruch auftreten, sind typisch für die Quarzitrücken des Idarwaldes. Sie entstanden dort, wo Quellwässer aus Taunusquarzit und Devonschiefer auf undurchlässige Gesteinsflächen trafen, die von Decklehmen überlagert und durchsetzt sind.

Zielsetzung:

Viele der vorhandenen Hangmoore sind gesetzlich geschützt, dennoch auch heute noch wegen Entwässerung, Wildverbiss oder Ausbreitung anderer Vegetation, insbes. Von Nadelbäumen, gefährdet. Daher werden Maßnahmen angestrebt, um vorhandene Flächen zu erhalten bzw. ehemalige Bruchwaldflächen zu regenerieren, weshalb im Zuge des vorliegenden Projektes Dauerflächen und Weisergatter angelegt und vegetationskundlich aufgenommen wurden. Es galt ausserdem zu klären, wie weit in dem langfristig gezäunten NWR Palmbruch die Freiflächen wegen Wildausschluss zu verbuschen drohen.

Methoden:

Bruchwaldflächen in den NWR Palmbruch und Langbruch
In beiden Naturwaldreservaten wurde jeweils eine Kernfläche aus je neun 400 m²-Flächen angelegt, die als zwei Transekte in Nord-Süd- bzw. Ost-West-Richtung verlaufen.

Weiserflächen im NWR Langbruch
Nach Kahlschlag von Abies grandis und Grabenverschluss zwecks Wiedervernässung wurden 10 gezäunte und in enger Nachbarschaft 10 ungezäunte Weiserflächen à 144 m² angelegt, die hinsichtlich der Vegetationsbedeckung und der Lage am Hang paarweise vergleichbar waren.

In den Unterflächen wurden Anfang Juli 2012 die Vegetationsaufnahmen durchgeführt:
Getrennt nach Baum-, Strauch-, Kraut- und Moosschicht wurden die Deckungsgrade der unterschiedlichen Vegetationsschichten und einzelner Arten innerhalb dieser Schichten erfasst. Die Baumschicht umfasste alle Gehölze mit einer Wuchshöhe über 5 m (Baumschicht 1 > 20m, Baumschicht 2 zwischen 5 und 20 m Höhe), die Strauchschicht alle Gehölze zwischen 0,5 und 5 m Höhe und die Krautschicht alle Gehölze < 0,5 m sowie alle nicht verholzenden Pflanzen. Zur Moosschicht wurden alle bodenbewohnenden Moose gezählt (DIERSCHKE 1994). Die Moose, insbesondere die verschiedenen Torfmoose, wurden in jeder Untersuchungsfläche gesammelt und anschließend von einem Experten bestimmt. Vor allem die Unterscheidung von Sphagnum rubellum und S. capillifolium erwies sich als schwierig, ebenso die Unterscheidung von S. palustre und S. papillosum.
Neben der Vegetation wurde sowohl in den Kernflächen als auch in den Weiserflächen-Paaren die Verjüngung auf ganzer Fläche getrennt nach Baumarten und Höhenstufen (< 0,5 m; 0,5 bis 1 m; 1 m bis 1,5 m; > 1,5 m) erfasst.

Ergebnisse:

Bruchwaldflächen in den NWR Palmbruch und Langbruch
Beide Transekte umfassen sowohl Bruchwaldbereiche mit Moorbirke als auch baumfreie Moorflächen mit entsprechender Varianz der mittleren Artenzahlen und Deckungsgrade. Im ungezäunten Langbruch finden sich geringere Artenzahlen und mit durchschnittlich 82% Deckung eine höhere Dominanz der Pfeifengrases als im gezäunten Palmbruch (69% Deckung mit Pfeifengras).
Beim direkten Vergleich der NWR hinsichtlich ihrer Artenausstattung und Umweltfaktoren ergaben sich vorrangig Unterschiede bei Baum- und Straucharten, die im Palmbruch deckungsstärker sind. Bei den Torfmoosen sind Sphagnum palustre und S. russowii im Palmbruch signifikant deckungsstärker, während S. fallax, S. denticulatum und S. magellanicum verstärkt im Langbruch gefunden wurden. Es konnten jedoch keine Unterschiede in den Licht-, Feuchte-, Reaktions- und Stickstoffzahlen zwischen den Reservaten festgestellt werden. Hinsichtlich der Umweltfaktoren sind die ausgewiesenen Transekte in beiden Reservaten daher im Wesentlichen vergleichbar.
Die Verjüngungsaufnahmen unterstreichen die Deckungsgradunterschiede der Baumarten zwischen den beiden NWR. Die 400 m²-Flächen im gezäunten Palmbruch weisen deutlich höhere Verjüngungszahlen auf als die Flächen des ungezäunten Langbruchs.

Im NWR Palmbruch konnte sich in Teilen auf Grund der jahrzehntelangen Zäunung ein strukturierter Baumbestand entwickeln. Trotzdem ist kein geschlossener Moorbirkenbestand entstanden: Die stark vernässten Hochmoorfragmente sind weiterhin baumfrei und scheinen demzufolge sehr stabil zu sein. Auch der Adlerfarn ist in die stark vernässten Bereiche noch nicht eingedrungen. Dies zeigt, dass die Gefahr für die Hochmoorfragmente weniger von einer sich ausbreitenden Moorbirke als vielmehr vom konkurrenzkräftigen Pfeifengras ausgeht. Dies lässt sich jedoch nicht durch das Rotwild, welches Molinia caerulea zwar regelmäßig, aber insgesamt nur mäßig verbeißt, sondern ausschließlich durch ausreichende, gleichbleibende Nässe zurückdrängen. Es ist daher erforderlich, mögliche Veränderungen im Wasserhaushalt und deren Ursachen zu identifizieren.

Weiserflächen im NWR Langbruch
Zum Aufnahmezeitpunkt im Sommer 2012 dominierten Schlagflur-Arten wie Digitalis purpurea, die die hohe Nährstoffmineralisation nach der Störung ausnutzen. Therophyten profitieren vom offenen Boden nach Kahlschlag, während die an nährstoffarme und saure Bedingungen angepassten Hoch- und Zwischenmoorarten in den Weiserflächen bisher nicht gefunden wurden. Die Weiserflächen unterscheiden sich daher noch sehr stark von den nährstoffarmen und sauren Bruchwaldflächen. Auch im restlichen Bereich der Kahlfläche wurden überwiegend Arten gefunden, die in Offenlandgesellschaften weit verbreitet sind. Nur in stark vernässten Bereichen der Kahlfläche traten auch die Torfmoosarten Sphagnum palustre, S. denticulatum, S. fallax und S. capillifolium auf, was zumindest für ein Renaturierungspotential dieser Fläche spricht. Die kommenden Jahre werden zeigen, ob die durchgeführten Wiedervernässungsmaßnahmen zur Wiederansiedlung der typischen Hangbruch-Vegetation auf dieser Fläche führen können.  
Ein Vergleich der Verjüngungszahlen zwischen den gezäunten Weiserflächen und den ungezäunten Vergleichsflächen zeigt, dass sich bereits nach einer kurzen Zeit der Zäunung mehr Gehölz-Individuen innerhalb des Zaunes etablieren konnten. Außerhalb des Zaunes wies die Verjüngung einen deutlichen Verbiss auf und erreichte kaum Höhen über 50 cm. Aber auch im Zaun wurde Verbiss durch Nagetiere beobachtet (v.a. Salix caprea).

Ob Wiedervernässungsmaßnahmen eine Renaturierung der Moorbirkenwälder ermöglichen, wird sich in den Weiserflächen des NWR Langbruch zeigen.