Kronenstrukturschlüssel Eiche

Die Eiche ist im Gegensatz zu den meisten anderen Baumarten in der Lage, ihre Kronenstruktur innerhalb relativ kurzer Zeit den herrschenden Wuchsbedingungen anzupassen und ihr Erscheinungsbild maßgeblich zu verändern.
Einerseits kann sie mittels Astabsprüngen unmittelbar auf verschlechterte Wuchsbedingungen (insbesondere Wasserstress) reagieren. Des Weiteren können Schadereignisse wie z.B. Frost oder Insektenfraß die Feinreisigmenge und -struktur deutlich verändern. Dies kann von Knickwuchs im Bereich der Feinäste über Verlust von Feinreisig bis hin zu Strukturmängeln im Bereich der Mittelastverzweigung führen.
Andererseits ist die Eiche in der Lage, durch den Austrieb von schlafenden Knospen in kurzer Zeit die Feinreisigmenge wieder zu erhöhen. Im Extremfall kann die Eiche durch Wasserreiserbildung die gesamte Primärkrone ersetzen. Der Regenerationscharakter der Baumkrone bleibt allerdings über lange Zeiträume erkennbar.
Bei der Kronenstrukturansprache wird ein besonderes Augenmerk auf das Feinreisig gelegt, das im Wesentlichen aus den jüngsten Trieben der Eiche besteht. Der jüngste Jahrestrieb ist im winterkahlen Zustand von den vorjährigen Trieben durch den Knospenansatz zu unterscheiden (Abbildung nötig). Auf diese Weise können vermeintliche Langtriebe, die sich aus mehreren aufeinander folgenden Kurztrieben zusammensetzen, richtig bewertet werden.
Der Schlüssel dient als Grundlage für eine vergleichbare Bewertung des Kronenstrukturzustandes bzw. dessen Veränderung bei Alteichen auf Beobachtungsflächen der Bundesländer. Die Kronenstruktur der Eichen wird hierbei mit Hilfe von Bildern in acht Stufen (siehe Menü rechts) eingeteilt.

Gebrauch des Eichenschlüssels

Anwendungsbereich:

Der Boniturschlüssel gilt für Stiel- und Traubeneichen sowie deren Hybriden.
Der Boniturschlüssel findet ausschließlich für Alteichen Anwendung. Als Alteichen im Sinne dieses Schlüssels gelten hierbei Eichen, die mindestens 75 % ihrer Endhöhe erreicht haben. Die zu erwartende Endhöhe wird für den jeweiligen Standort über die Ertragstafel und den geschätzten durchschnittlichen Gesamtzuwachs (dGz) ermittelt. Liegen keine Ertragstafel- bzw. Zuwachsdaten vor, kann das Verfahren der Kronenstrukturansprache näherungsweise ab einem Bestandesalter von ca. 100 Jahren angewendet werden, wenn die Dominanz der Leittriebe nachgelassen hat und die Baumkronen den geforderten “Alteichencharakter” aufweisen.
Jugendliche Formen zeichnen sich im Gegensatz zu Alteichen durch einen stärkeren Zuwachs der Leittriebe im Vergleich zu den Seitentrieben aus. Hierdurch erscheinen die Einzeläste lang gestreckter und die Vernetzung der Äste miteinander ist altersbedingt noch unvollkommen.

1Grundlage für den in der Folge erläuterten Eichenschlüssel ist eine durch die AG DBFL abgestimmte Fassung des “Hessischen Kronenstrukturschlüssels für Alteichen” mit Ergänzungen aus dem Baden-Württembergischen Schlüssel.


Rahmenbedingungen für die Kronenstrukturansprache:

Die Kronenstrukturansprache kann nur an winterkahlen Eichen erfolgen.
Der Aufnahmetrupp sollte aus mindestens zwei Personen bestehen.
Die Bonitur sollte aus mindestens zwei Richtungen vorgenommen werden.
Abhängig von den Bestandesverhältnissen sollte die Boniturentfernung möglichst eine Baumlänge betragen.
Es darf nicht bei Gegenlicht bonitiert werden. Optimale Bedingungen herrschen bei bedecktem Himmel.

Boniturbereich:

Der Boniturbereich für die Ansprache des Feinreisigs wird wie folgt festgelegt:
Zum Boniturbereich zählt die gesamte Krone, soweit sie nicht durch bestandessoziologische und/oder mechanische Einflüsse beeinträchtigt ist oder war.
In geschlossenen Beständen ist damit der Boniturbereich im Wesentlichen durch die Lichtkrone definiert.
Bei freigestellten Bäumen endet der Boniturbereich dort, wo die Kronenausbildung erkennbar durch Nachbarbäume eingeschränkt war und noch keine volle Regeneration erfolgt ist.
Bei solitär erwachsenen Bäumen umfasst der Boniturbereich die gesamte Krone.

Berücksichtigung von Wasserreisern:

Wasserreiser in der Krone gehören zum Boniturbereich und werden bei der Feinreisigmenge mitbewertet. Wasserreiser am Stamm gehören nicht zum Boniturbereich.

Berücksichtigung von mechanisch verursachten Schäden:

Bei Bäumen mit Kronenbrüchen umfasst der Boniturbereich die verbleibende Krone. Durch mechanische Einflüsse fehlende Kronenteile werden nicht als Strukturmangel gewertet.
Kronenlücken, die auf ursprünglich nicht vorhandene Äste oder auf Ast-/Kronenbrüche zurückzuführen sind, werden nicht als Strukturmangel gewertet. Degenerationserscheinungen werden hingegen als Strukturmangel angesehen.

Gebrauch der Kronenbilder:

Die abgebildeten Kronen sind lediglich Beispiele für eine mögliche Ausprägungsform der jeweiligen Kronenstrukturstufe. Der durch Bild- und Textteil beschriebene “Kronencharakter” kennzeichnet die wesentlichen Erscheinungsformen einer jeweiligen Kronenstrukturstufe.
Die Klassifizierung einer Eichenkrone erfolgt zunächst durch einen Abgleich mit den Fotos der abgebildeten acht Strukturstufen. Im Anschluss erfolgt eine Verifizierung mittels der jeweiligen Merkmale im Textteil der Kronenstrukturstufen, wobei die Feinastmenge das wichtigste Merkmal zur Beschreibung der Kronenstruktur darstellt.
Das Absterben von Eichen kann aus jeder Kronenstrukturstufe heraus erfolgen. Daher kann das Absterben von Bäumen nicht als separate Kronenstrukturstufe angesehen werden, sondern muss als gesondertes Merkmal erfasst werden. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass im winterkahlen Zustand aktuell abgestorbene Eichen nicht immer zweifelsfrei erkennbar sind.

Begriffserklärung:

Astabsprünge:
Als Astabsprünge wird der Verlust von Feinreisig an den Triebbasen bezeichnet. Astabsprünge führen bei häufigem Auftreten zu Knickwuchs. In der Literatur werden Astabsprünge als Kladoptosis bezeichnet.

Aststümpfe:
Als Aststümpfe werden die Reste von Grob- und Mittelästen bezeichnet, die als Folge von Absterbevorgängen entstanden sind. Aststümpfe im Grob- und Mittelastbereich, die nach Bruch infolge Sturm, Schnee oder Eisanhang entstanden sind, werden nicht als Strukturmangel bewertet.

Aststärke:
Feinäste: Unter Feinästen versteht man Äste bis Fingerstärke.
Mitteläste: Mitteläste reichen von Fingerstärke bis Armstärke.
Grobäste: überarmstarke Äste werden als Grobäste bezeichnet.

Feinastwalze:
Als Feinastwalze wird eine feinastreiche Zone im Bereich der Kronenperipherie bezeichnet. Diese in der Regel gleichmäßig breite Zone ist die Folge einer lang anhaltenden guten Entwicklung der Eichenkrone.

Knickwuchs:
Kommt es an einem Feinast zu Astabsprüngen oder Absterbeprozessen an den Terminaltrieben, so führt dies zu einer winkligen bzw. knickigen Wuchsform der Feinäste, der als Knickwuchs bezeichnet wird.

Kronenperipherie:
Als Kronenperipherie bezeichnet man die Grenzlinie zwischen den Triebspitzen der Oberkrone und dem angrenzenden Luftraum.

Kronensegmente:
Als Kronensegmente werden klar abgrenzbare vertikal ausgerichtete Teilbereiche der Krone bezeichnet. Diese werden durch mangelnde horizontale Verzweigung im Mittel- und Feinastbereich geprägt. Hierdurch ergibt sich eine ungenügende Vernetzung der Feinäste und letztendlich eine reduzierte Feinreisigmenge.

Sekundärkrone:
Neubildung von Kronenstrukturen durch Wasserreiser.

Strukturmangel:
Als Strukturmangel wird eine auffällige Änderung der optimalen Verzweigungsstuktur verstanden. Dies kann sich u. a. äußern als:

  • Knickwuchs 
  • unregelmäßige Kronenperipherie  
  • größere Kronenlücken (Fenster) durch mangelnde Verzweigung im Mittel- und  Feinastbereich
  • Kronensegmentierung  
  • Astabbrüche  
  • ausgeprägte Wasserreiserbildung