Bewertung der Schadentwicklung

WZE-Abstimmungsbonitur
Aufnahmepersonal bei der Begutachtung des Kronenzustandes von Waldbäumen mit Hilfe eines Fernglases

Für die gesamte Waldfläche von Rheinland-Pfalz über alle Baumarten und Altersstufen betrachtet hat sich der Zustand des Waldes gegenüber dem Vorjahr verschlechtert, dies betrifft nahezu alle Baumarten gleichermaßen. Der Anteil deutlich geschädigter Waldbäume ist  um 4 Prozentpunkte angestiegen, der Anteil an Probebäumen ohne sichtbare Schadmerkmale liegt um 4 Prozentpunkte niediger. Die mittlere Kronenverlichtung ist um 2,1 Prozentpunkte höher. Damit bleibt das Schadniveau in der Gesamtschau über alle Waldflächen von Rheinland-Pfalz, über alle Baumarten und Altersstufen hinweg betrachtet, nicht nur auf dem sehr hohen Niveau der Vorjahre, sondern überschreitet sogar den im Jahr 2020 erreichten Höchststand. Der Anteil starker Kronenschäden, abgestorbener Probebäume und infolge biotischer Schäden vorzeitig entnommener Probebäume ist weiter überdurchschnittlich hoch.

Einfluss des Witterungsverlaufes

Die Winterniederschläge reichten zwar aus, um die Bodenwasservorräte hinreichend aufzufüllen, insbesondere die Grundwasserspende blieb aber defizitär. Der Austrieb der Waldbäume im Frühjahr konnte jedoch relativ ungehindert erfolgen. Ab Mitte Mai setzte eine Trockenperiode ein, Niederschläge blieben vollständig aus. Die durchwurzelten Bodenhorizonte trockneten mit der Zeit tiefgründig aus, die Waldbäume waren gezwungen, ihre Transpiration einzuschränken oder gänzlich einzustellen. Damit waren sie auch der Möglichkeit zur Assimilation wie auch zur Temperaturregelung ihrer Blattorgane beraubt. Im Verlauf des Juni kam es zunächst auf flachgründigen, später auf allen Standorten zu Trockenstress mit Welkeerscheinungen, vorzeitigem Blattfall bzw. Nadelschütten, Zweigabsprüngen und auch Rückgang der Feinwurzeln. Erst ab Mitte Juli kam es zunächst lokal zu verstärktem Niederschlag, durch Gewitter verursachten Starkregenereignissen, aber auch Schäden durch Sturmböen oder Hagelschlag. Bis Ende Juli wurden dann durch regelmäßige Regenfälle die oberflächlichen Bodenwasservorräte wieder ergänzt. Die Waldbäume bekamen so die Möglichkeit, mit der zu diesem Zeitpunkt vorhandenen Feinwurzel- und Blatt- bzw. Nadelmasse, die Photosynthese wieder aufzunehmen und Reservestoffe zu bilden. Auf den besonders exponierten flachgründigen Standorten waren jedoch bereits irreversible Trocknisschäden aufgetreten, die zum Absterben der oberen Kronenteile oder sogar des gesamten Baumes führten. Besonders betroffen waren hiervon die auf Felsenrippen entlang der Flusstäler und des Donnersbergmassivs stockenden Wälder. In den vergangenen fünf Jahren wies nur das Jahr 2021 einen für den Wald vergleichsweise günstigen Witterungsverlauf auf, alle anderen waren durch Hitze- und Trockenperioden geprägt. Diese permanente Belastung führt die Waldökosysteme an ihre klimatische Grenze und erzwingt vielfältige Anpassungen.

Bedeutsame Schadeinflüsse

Trockenheit und Hitze führten im Jahr 2023 zu einer weiteren Vitalitätsschwächung der Bäume. In der Folge werden die Bäume anfälliger für den Befall durch Schaderreger, wohingegen viele Insektenarten von der warm-trockenen Witterung profitieren.
Trockenheit und Hitze, wie im Monat Juli, verschärften auch die Waldbrandgefahrensituation. 2023 kam es zu etlichen, meist kleineren Waldbrandereignissen. Die Anzahl und die betroffene Waldfläche lagen auf dem Niveau vom langjährigen Durchschnitt, war jedoch wesentlich geringer als im Vorjahr. Die Haupt-Brandsaison lag in der trocken-heißen Periode von Ende Mai bis Ende Juli. 
2023 setzten sich die Schäden durch rindenbrütende Borkenkäfer bei Fichte fort. Die warm-trockenen Witterungsverhältnisse ab Mai waren der Entwicklung der Borkenkäfer förderlich, der Wetterumschwung ab Mitte Juli verhinderte jedoch die Anlage einer dritten Käfergeneration, außer in den tieferen, wärmebegünstigten Lagen. Bei der Eiche zeigte der Befall durch blattfressende Insekten und Mehltau einen anhaltend hohen Trend, insbesondere der Eichenprozessionsspinner wird immer häufiger angetroffen. Im Allgemeinen blieb der Insektenfraß aber unter der kritischen Schwelle, ab der ein Einfluss auf den Kronenzustand zu erwarten ist. Sorge bereitet jedoch der immer häufiger anzutreffende Eichenprachtkäfer (Agrilus biguttatus), der geschwächte Eichen zum Absterben bringen kann. Dieser letale Befall wird allerdings erst im Spätsommer sichtbar. Bei den Pilzkrankheiten sind Douglasienschütte und Eschentriebsterben von entscheidendem Einfluss auf den Kronenzustand dieser beiden Baumarten. Bei den anderen Baumarten wurde ein Pilzbefall der Nadeln oder Blätter meist nur in den unteren Bereichen der Baumkronen beobachtet und lag damit außerhalb des Boniturbereiches für die Kronenzustandsansprache. Die Waldökosysteme werden nach wie vor durch den Eintrag von Luftschadstoffen belastet. Nachdem für die rheinland-pfälzischen Waldökosysteme die Schwellenwerte der Schadstoffeinträge kalkuliert wurden, ab denen eine Schädigung des Waldökosystems nicht mehr auszuschließen ist (Critical Loads), wurde im Waldzustandsbericht 2002 erstmals darüber berichtet. Die Critical Loads der Stickstoffeinträge wie auch der Säureeinträge werden jedes Jahr an der Mehrzahl der Waldstandorte überschritten. Die Belastung durch bodennahes Ozon ist weiterhin zu hoch, die Belastungsschwellen werden regelmäßig überschritten. Diese langfristige „Hintergrundbelastung“ der Waldbäume schwächt ihr Reaktionsvermögen auf die natürlichen Belastungen durch Witterung, Insekten oder Pilze und mindert ihre Fähigkeit zur Erholung bei günstigen natürlichen Bedingungen. Nach dem Jahr 2003 traten nun 2018, 2019, 2020 und 2022 und 2023 in Folge sogenannte „Jahrhundertsommer“ mit extremer Hitze und Trockenheit in Erscheinung. Mit dieser Häufung von Extremwetterlagen tritt der Klimawandel als Belastungsfaktor in den Vordergrund, ohne dass das Problem der überhöhten Luftschadstoffeinträge gelöst wurde.

Entwicklungstrends der "neuartigen Waldschäden"

Die Verlichtung der Baumkronen ist seit Beginn der Erhebung 1984 deutlich angestiegen. Seit Anfang der 1990er Jahre ist fast durchgehend ein Anstieg des Niveaus der Waldschäden bis zum Jahr 2006 zu verzeichnen; die mittlere Kronenverlichtung hat sich in diesem Zeitraum verdoppelt. Von 2007 bis 2019 ergibt sich kein statistisch signifikanter Trend, 2020 wurde dann ein neuerlicher Höchststand erreicht. Schadrückgänge blieben bisher zeitlich begrenzte Episoden. Die Entwicklung kann je nach Baumart und Region unterschiedlich verlaufen. Auch in den einzelnen Jahren ist die Schadentwicklung der verschiedenen Baumarten unterschiedlich in Ausmaß und Richtung; Verbesserungen bei einer Baumart oder in einer Region können Verschlechterungen bei einer anderen Baumart bzw. in einer anderen Region überdecken. Um die Schadentwicklung korrekt nachzeichnen zu können muss entsprechend stratifiziert werden; hierfür ist ein ausreichend großes Stichprobenkollektiv erforderlich. Die jährlich wechselnden natürlichen Einflussfaktoren wie Witterung, Fruchtbehang und Insektenbefall machen eine jährliche Erhebung erforderlich. Nur so kann die Reaktion des Waldes auf diese Einflüsse nachgezeichnet werden. Die Wirkung langfristiger Stresseinflüsse wiederum kann nur abgeschätzt werden, wenn die Bewegungen durch kurzfristig wirkende Stressfaktoren bekannt sind.

Bewertung der Ergebnisse unter Einbeziehung weiterer Untersuchungen

Bei der Waldzustandserhebung wird der Kronenzustand eines Probebaumes unabhängig von der Ursache eines ggf. vorhandenen Schadens erhoben. Offensichtliche Schadursachen werden zwar mit aufgenommen, nicht alle sind aber am Tage der tatsächlichen Durchführung der Erhebung erkennbar. Die meisten Untersuchungen sind auch zu aufwändig, um sie an dem Raster der Waldzustandserhebung vornehmen zu können. Für eine genauere Interpretation wird daher auf die Ergebnisse der Dauerbeobachtungsflächen zurückgegriffen. Die Zusammenhänge sind ausführlich im Abschnitt „Einflussfaktoren auf die Kronenzustandsentwicklung von Waldbäumen“ beschrieben, der auf der Ebene „Forstliches Umweltmonitoring“ über die Kapitel „Forschung an Dauerbeobachtungsflächen“, „Kronenzustand“ zu erreichen ist. Auch erfolgt die Bewertung der Entwicklung vor dem Hintergrund der Ergebnisse der Immissionsmessungen, der Aufzeichnungen zum Witterungsverlauf und der Erkenntnisse der Beobachtungen zum Waldschutz.

Vergilbung und Bodenschutzkalkung

In den letzten Jahren werden die Kronenschäden in Rheinland-Pfalz  nahezu ausschließlich durch die Kronenverlichtung bestimmt, die Vergilbung ist landesweit von untergeordneter Bedeutung. Bei bestimmten Baumarten können in einzelnen Jahren Vergilbungen auffälliger auftreten, dazu wird dann jeweils bei der betroffenen Baumart Stellung genommen.
Vergilbungen wurden in den 1980er Jahren besonders in den höheren Lagen der Mittelgebirge noch in besorgniserregendem Ausmaß festgestellt. Hierbei handelte es sich häufig um Magnesiummangelerscheinungen, die durch die Bodenversauerung verstärkt sichtbar wurden. Auf Grundlage von Bodenanalysen wurden umfangreiche Bodenschutzkalkungen durchgeführt. Hierbei wurde durch den Einsatz von Dolomitkalken gezielt Magnesium mit eingebracht. Durch diese Verbesserung der Magnesiumversorgung gingen die Vergilbungen stark zurück. Die Befunde der Immissions- und Depositionsmessungen zeigen jedoch, dass die Gefährdung der Ökosysteme durch Versauerung auf nicht gekalkten Flächen mit basenarmen Böden nach wie vor akut ist. Zum Schutz unserer Waldökosysteme vor fortschreitender Versauerung sind daher nach wie vor weitere Anstrengungen zur Verringerung der Emission der Säurevorläufer und eine Fortsetzung der Bodenschutzkalkungen erforderlich.