Bewertung der Schadentwicklung

WZE-Abstimmungsbonitur
Aufnahmepersonal bei der Begutachtung des Kronenzustandes von Waldbäumen mit Hilfe eines Fernglases

Für die gesamte Waldfläche von Rheinland-Pfalz über alle Baumarten und Altersstufen betrachtet hat sich der Zustand des Waldes gegenüber dem Vorjahr verschlechtert, dies betrifft nahezu alle Baumarten gleichermaßen. Der Anteil deutlich geschädigter Waldbäume ist um acht Prozentpunkte angestiegen, der Anteil an Probebäumen ohne sichtbare Schadmerkmale liegt um zwei Prozentpunkt niedriger. Die mittlere Kronenverlichtung ist um 2,0 Prozentpunkte höher. Damit bleibt das Schadniveau in der Gesamtschau über alle Waldflächen von Rheinland-Pfalz, über alle Baumarten und Altersstufen hinweg betrachtet, weiterhin auf  sehr hohem Niveau und erreicht einen neuen Höchststand. Der Anteil starker Kronenschäden, abgestorbener Probebäume und infolge biotischer Schäden vorzeitig entnommener Probebäume ist weiter überdurchschnittlich hoch. 

Einfluss des Witterungsverlaufes

Die früh einsetzende Dürre des Vorjahres beschränkte das Wachstum der Waldbäume und führte auf besonders betroffenen Standorten zu kürzeren Trieben und eingeschränkter Knospenbildung. Auch der Herbst war noch deutlich zu warm, dafür aber niederschlagsreich. Der Winter 2023/2024 war extrem mild und niederschlagsreich, aber Schnee blieb Mangelware. Doch wurden so die Böden wieder gut durchfeuchtet und die Grundwasservorräte konnten sich auffüllen. Der Frühling 2024 war wärmer als die Referenzperiode 1961-1990. Milde Temperaturen schon im Februar sorgten für einen frühen Vegetationsbeginn. Der Austrieb der Waldbäume konnte recht ungehindert erfolgen, doch konnten die Waldbäume dabei nur auf die im Vorjahr angelegten Knospen und Reservestoffe zurückgreifen. Auf den besonders von der Trockenheit betroffenen Waldstandorten, blieb die Entwicklung der Laub- bzw. Nadelmasse entsprechend verhalten. Darüber hinaus kam es Mitte April zu Spätfrostereignissen, die, je nach den kleinstandörtlichen Gegebenheiten, zu lokal unterschiedlich stark ausgeprägten Schäden führten. Da die Bäume auch individuell in unterschiedlich empfindlichen Austriebsstadien waren, sind die Schäden auch von Baum zu Baum recht unterschiedlich ausgeprägt. Die betroffenen Bäume mussten Ersatztriebe bilden, was eine zusätzliche Belastung bedeutete. Mitte Mai führten im Saarland und in Rheinland-Pfalz hohe Niederschläge zu Sturzfluten und Überschwemmungen. Der Sommer startete etwas zu kühl und brachte genügend Niederschläge. Ende Juni kam es zu den ersten Hitzetagen und Tropennächten und auch zu Gewittern mit Starkregenereignissen und Schäden durch Sturmböen oder Hagelschlag.

Bedeutsame Schadeinflüsse

Trockenheit und Hitze führten in den vergangenen Jahren zu einer Schwächung der Bäume. Da geschwächte Bäume für den Befall durch Schaderreger anfälliger werden, werden die Auswirkungen häufig erst in den darauffolgenden Jahren deutlich. Der wechselhafte Witterungsverlauf in dem ersten Halbjahr 2024, mit häufiger wiederkehrenden kühlen und feuchten Phasen, begünstigte die Waldbäume. Die Waldbrandgefahr war in diesem Jahr geringer als in den vergangenen Jahren. Die Witterungsbedingungen im Frühjahr mit reichlich Nässe und auch raschen Temperaturwechseln begünstigte die Infektion mit Pilzen, die Blätter und teilweise auch die jungen Triebe befallen. 
2024 setzten sich die Schäden durch rindenbrütende Borkenkäfer bei Fichte fort. Die Witterungsverhältnisse waren der Entwicklung der Borkenkäfer zwar weniger förderlich als in den Vorjahren, doch wurde in den Tieferen, wärmebegünstigten Lagen eine dritte Käfergeneration angelegt. Bei der Eiche zeigte der Befall durch blattfressende Insekten und Mehltau einen anhaltend hohen Trend, der Eichenprozessionsspinner wird regelmäßig angetroffen. Sorge bereitet der immer häufiger anzutreffende Eichenprachtkäfer (Agrilus biguttatus), der geschwächte Eichen zum Absterben bringen kann. Dieser letale Befall wird allerdings häufig erst im Spätsommer sichtbar. Bei den Pilzkrankheiten sind Douglasienschütte und Eschentriebsterben von entscheidendem Einfluss auf den Kronenzustand dieser beiden Baumarten. Die Waldökosysteme werden nach wie vor durch den Eintrag von Luftschadstoffen belastet. Nachdem für die rheinland-pfälzischen Waldökosysteme die Schwellenwerte der Schadstoffeinträge kalkuliert wurden, ab denen eine Schädigung des Waldökosystems nicht mehr auszuschließen ist (Critical Loads), wurde im Waldzustandsbericht 2002 erstmals darüber berichtet. Die Critical Loads der Stickstoffeinträge wie auch der Säureeinträge werden jedes Jahr an der Mehrzahl der Waldstandorte überschritten. Die Belastung durch bodennahes Ozon ist weiterhin zu hoch, die Belastungsschwellen werden regelmäßig überschritten. Diese langfristige „Hintergrundbelastung“ der Waldbäume schwächt ihr Reaktionsvermögen auf die natürlichen Belastungen durch Witterung, Insekten oder Pilze und mindert ihre Fähigkeit zur Erholung bei günstigen natürlichen Bedingungen. Nach dem Jahr 2003 traten nun 2018, 2019, 2020 und 2022 und 2023 in Folge sogenannte „Jahrhundertsommer“ mit extremer Hitze und Trockenheit in Erscheinung. Mit dieser Häufung von Extremwetterlagen tritt der Klimawandel als Belastungsfaktor in den Vordergrund, ohne dass das Problem der überhöhten Luftschadstoffeinträge gelöst wurde.

Entwicklungstrends der "neuartigen Waldschäden"

Die Verlichtung der Baumkronen ist seit Beginn der Erhebung 1984 deutlich angestiegen. Seit Anfang der 1990er Jahre ist fast durchgehend ein Anstieg des Niveaus der Waldschäden bis zum Jahr 2006 zu verzeichnen; die mittlere Kronenverlichtung hat sich in diesem Zeitraum verdoppelt. Von 2007 bis 2019 ergibt sich kein statistisch signifikanter Trend, 2020 wurde dann ein neuerlicher Höchststand erreicht. Schadrückgänge blieben bisher zeitlich begrenzte Episoden. Die Entwicklung kann je nach Baumart und Region unterschiedlich verlaufen. Auch in den einzelnen Jahren ist die Schadentwicklung der verschiedenen Baumarten unterschiedlich in Ausmaß und Richtung; Verbesserungen bei einer Baumart oder in einer Region können Verschlechterungen bei einer anderen Baumart bzw. in einer anderen Region überdecken. Um die Schadentwicklung korrekt nachzeichnen zu können muss entsprechend stratifiziert werden; hierfür ist ein ausreichend großes Stichprobenkollektiv erforderlich. Die jährlich wechselnden natürlichen Einflussfaktoren wie Witterung, Fruchtbehang und Insektenbefall machen eine jährliche Erhebung erforderlich. Nur so kann die Reaktion des Waldes auf diese Einflüsse nachgezeichnet werden. Die Wirkung langfristiger Stresseinflüsse wiederum kann nur abgeschätzt werden, wenn die Bewegungen durch kurzfristig wirkende Stressfaktoren bekannt sind.

Bewertung der Ergebnisse unter Einbeziehung weiterer Untersuchungen

Bei der Waldzustandserhebung wird der Kronenzustand eines Probebaumes unabhängig von der Ursache eines ggf. vorhandenen Schadens erhoben. Offensichtliche Schadursachen werden zwar mit aufgenommen, nicht alle sind aber am Tage der tatsächlichen Durchführung der Erhebung erkennbar. Die meisten Untersuchungen sind auch zu aufwändig, um sie an dem Raster der Waldzustandserhebung vornehmen zu können. Für eine genauere Interpretation wird daher auf die Ergebnisse der Dauerbeobachtungsflächen zurückgegriffen. Die Zusammenhänge sind ausführlich im Abschnitt „Einflussfaktoren auf die Kronenzustandsentwicklung von Waldbäumen“ beschrieben, der auf der Ebene „Forstliches Umweltmonitoring“ über die Kapitel „Forschung an Dauerbeobachtungsflächen“, „Kronenzustand“ zu erreichen ist. Auch erfolgt die Bewertung der Entwicklung vor dem Hintergrund der Ergebnisse der Immissionsmessungen, der Aufzeichnungen zum Witterungsverlauf und der Erkenntnisse der Beobachtungen zum Waldschutz.

Vergilbung und Bodenschutzkalkung

In den letzten Jahren werden die Kronenschäden in Rheinland-Pfalz  nahezu ausschließlich durch die Kronenverlichtung bestimmt, die Vergilbung ist landesweit von untergeordneter Bedeutung. Bei bestimmten Baumarten können in einzelnen Jahren Vergilbungen auffälliger auftreten, dazu wird dann jeweils bei der betroffenen Baumart Stellung genommen.
Vergilbungen wurden in den 1980er Jahren besonders in den höheren Lagen der Mittelgebirge noch in besorgniserregendem Ausmaß festgestellt. Hierbei handelte es sich häufig um Magnesiummangelerscheinungen, die durch die Bodenversauerung verstärkt sichtbar wurden. Auf Grundlage von Bodenanalysen wurden und werden umfangreiche Bodenschutzkalkungen durchgeführt. Hierbei wird durch den Einsatz von Dolomitkalken gezielt Magnesium mit eingebracht. Durch diese Verbesserung der Magnesiumversorgung gingen die Vergilbungen stark zurück. Die Befunde der Immissions- und Depositionsmessungen zeigen jedoch, dass die Gefährdung der Ökosysteme durch Versauerung auf nicht gekalkten Flächen mit basenarmen Böden nach wie vor akut ist. Zum Schutz unserer Waldökosysteme vor fortschreitender Versauerung sind daher nach wie vor weitere Anstrengungen zur Verringerung der Emission der Säurevorläufer und eine Fortsetzung der Bodenschutzkalkungen erforderlich.