Standardprogramm und Spezialuntersuchungen

Was geschieht in Naturwaldreservaten?

Hier dürfen sich Wald, Boden, Pflanzen und Tiere nur nach Regeln der Natur bzw. zufallsgesteuert entwickeln. Der Mensch ist dort nur als Beobachter zugelassen.

Naturwaldforschung ist auf Dauer angelegt, bedenkt man die Lebensdauer von Bäumen von mehreren Hundert Jahren. Das erfordert die Festlegung und Einhaltung eines einheitlichen Untersuchungsprogramms:

Dieses besteht einerseits aus dem Standardprogramm , den periodischen standörtlichen und waldkundlichen Untersuchungen (Waldstruktur, Verjüngung und Totholz) sowie der Luftbilderstellung in allen Naturwaldreservaten.

Spezialuntersuchungen in ausgewählten Flächen zielen andererseits auf bestimmte Teile der Waldlebensgemeinschaft ab, die für das Wirkungsgefüge Wald eine wichtige oder sogar eine Schlüsselposition besitzen, wie z.B. Bodenvegetation, Pilze, Moose, Flechten, Totholzkäfer, Vögel, Fledermäuse oder Bodenfauna.

Grundsätzlich ist jedem Naturwaldreservat eine Vergleichsfläche zugeordnet, die nach gleichen Konzepten untersucht wird. Aus wiederholten Aufnahmen des Waldes lassen sich langfristige Entwicklungen ablesen und Vergleiche zu Wirkungen von Bewirtschaftung ziehen z.B.:

Der zunehmend dichtere Stand der Bäume im Naturwaldreservat führt zum Verschwinden lichtbedürftiger Baumarten und zur Abwanderung von wärme- und lichtliebenden Tierarten. Im Zuge der Waldpflege wird der Kronenschluss dagegen häufig unterbrochen und dadurch Mischbaumarten gezielt erhalten.

Im Naturwaldreservat bildet sich im Laufe der Zeit weit höhere Strukturvielfalt insbesondere durch natürliche Totholzansammlung, umgestürzte Bäume oder Lückenbildung. Dadurch entstehen Lebensräume für spezialisierte, in der Regel seltene Tiere oder Pilze, die im Wirtschaftswald nur kaum überleben können.

Welche Rollen haben Naturwaldreservate im Konzept "Naturschutz durch Nutzung"?

Naturwaldforschung liefert Erkenntnisse zur naturnahen, nachhaltigen Nutzung der Wälder mit dem Ziel, intensive waldbauliche Eingriffe zu verringern und gleichzeitig Naturschutzbelangen gerecht zu werden. Naturnahe waldbauliche Maßnahmen integrieren diese Gesichtspunkte und ermöglichen damit einen wirkungsvollen Naturschutz auf der gesamten Waldfläche.

Der naturnahe Waldbau hat zum Grundsatz, die Baumarten der natürlichen Waldgesellschaften bevorzugt zu beteiligen. Trotz eingehender Kenntnis der Bewaldungsgeschichte und der Ökologie unserer Waldbäume können wir aus dem heutigen Waldbild die natürliche Vegetation kaum rekonstruieren. Auch gibt es über die Beteiligung von Nadelbaumarten in der überwiegend von Buche geprägten natürlichen Waldgesellschaft keine übereinstimmenden Ansichten. Spontane Waldentwicklungen in Naturwaldreservaten sind hierzu konkrete Experimente und liefern wertvolle Hinweise.

Auch das Ziel, Erntealter von Bäumen zu erhöhen, stellt uns vor eine Reihe an Fragen: z.B. wie hoch ist das maximale Alter eines Baumes, wie sehen Symptome für Vergreisung im Vergleich zu Waldschäden aus oder was sind die Ursachen für Absterben von Bäumen. Ungenutzte Bestände und bis zu ihrem Endalter lebende Bäume werden dazu Antworten liefern können.

Im Zuge der naturnahen Bewirtschaftung werden höhere Totholzanteile im Wald belassen. Wir besitzen inzwischen Erkenntnisse zur Rolle des Totholzes bei der Verjüngung montaner bis alpiner Wälder, der sogenannte Moderverjüngung. Wir wissen um seine herausragende Bedeutung als vielfältiger Lebensraum für unzählige Organismen und um seine Rolle für die Pflanzenernährung. Nicht hinreichend bekannt ist uns jedoch, wie viel Totholz von welchen Baumarten und welcher Qualität im Wirtschaftswald ungenutzt bleiben muss. Auch wie für die Nachhaltigkeit seines Aufkommens und seiner Verteilung zielgerecht zu sorgen ist. Daneben sind Fragen zu eventuell damit verbundenen Risiken, z.B. bei der Förderung bestimmter Schadorganismen, nach wie vor offen.

Kontakt:
Jens Edinger, jens.edinger(at)wald-rlp.de, Tel.: +49-6131-884-268-119